Wir freuen uns, Ihnen ab diesem Monat bereits jeweils eine kleine Vorabveröffentlichung des Buchs “Autism and the Seeds of Change” von Abigail Marshall und Ron Davis in deutscher Übersetzung zur Verfügung stellen zu können. Die englische Ausgabe hatten wir im Oktober 2012 angekündigt und die deutsche folgt voraussichtlich schon im Mai.
Um die Wartezeit bis dahin ein wenig zu verkürzen, lesen Sie
hier und in den nächsten Monaten jeweils einen Auszug aus dem letzten
Kapitel des Buches, das einen Überblick und anschauliche Fallgeschichten
beschreibt. Wir sind gespannt auf Ihr Interesse!
Ihr Davis-Team
Die anderen Teile des 12. Kapitels finden Sie unter folgenden Links: Davis-Buch Autismus – Teil 2, Teil 3 und Teil 4.
Die anderen Teile des 12. Kapitels finden Sie unter folgenden Links: Davis-Buch Autismus – Teil 2, Teil 3 und Teil 4.
Vorabveröffentlichung – Kapitel 12 /
1.Teil
Ein wesentliches Merkmal von Autismus sind die inneren Einschränkungen einer Person, die einem angemessenen, sozialen Verhalten im Weg stehen. Der Davis®-Autismus-Ansatz stellt eine neuartige Vorgehensweise zur Verfügung, mit der man diese Einschränkungen unmittelbar bearbeiten kann. Das Programm lässt sich auf die Erfahrungen und Ideen eines erfolgreichen Erwachsenen zurückführen, der aufgrund seiner eigenen Kindheitsgeschichte als Autist tief verwurzelten Respekt und Verständnis für die autistische Perspektive mitbringt. Der Ansatz wurde über viele Jahre hinweg mit Hilfe gemeinschaftlicher praktischer Erfahrungen weiterentwickelt und präzisiert.
Das gesetzte Ziel des
Programms – autistische Menschen zu befähigen, „vollständig am Leben
teilzunehmen“ – wird am besten durch die tatsächlichen Erfahrungen autistischer
Menschen, ihrer Familienangehörigen und der Berater, die sie anleiteten,
illustriert.
Der Davis-Unterschied
„In diesem Programm habe
ich mit Knete gearbeitet, um Begriffe wie ‚ich‘, ‚Zeit‘, ‚Ordnung‘, ‚Reihenfolge‘ und, das
war für mich am wichtigsten, ‚Beziehung‘ zu verinnerlichen
und gründlich zu verstehen. Mein Berater hat mir auch beigebracht, wie ich bewusst loslassen und entspannen und mich mental
in dieser Welt verankern kann, so dass ich mich selbst davon abhalten kann zu
desorientieren oder tagzuträumen. Ich habe auch gelernt, meine
Angstattacken und Wutanfälle zu erkennen und zu kontrollieren. Wenn ich merke,
dass sie kommen, kann ich mich dafür entscheiden, meine Gedanken zu ändern und
loszulassen, und es ist, als hätte mich nie etwas geplagt! Ich weiß jetzt, wie ich sichere Grenzen
gegenüber Menschen ziehen kann, so dass mich ihre Emotionen nicht überwältigen oder ich mich ausnutzen lasse. Ich kann meine
Gefühle auf eine Art und Weise mündlich ausdrücken, wie ich es zuvor nicht
konnte. Mit großen Menschenmengen umzugehen ist immer noch anstrengend,
aber es ist nicht mehr furchterregend und erdrückend, so wie früher.“(1)
Der Davis-Autismus-Ansatz ist ein völlig neuartiger Ansatz, der autistische Menschen befähigt und stärkt. Das Programm kann zu tiefgreifenden Veränderungen in der praktischen Fähigkeit führen, die sich in veränderten Einstellungen und Verhaltensweisen zeigen, die weit jenseits der Erwartungen anderer Programme liegen. Gleichzeitig vermeidet das Programm direkte Bestrebungen, das Verhalten zu verändern, zu beeinflussen oder zu erzwingen und basiert nicht auf dem Versuch, dem autistischen Klienten beizubringen, er solle denken oder handeln, als sei er nicht autistisch. Viele hochfunktionale Autisten sind berechtigterweise skeptisch und widerständig gegenüber den Versuchen anderer, ihre Art zu denken oder fühlen zu verändern. Die Veränderungen, die mit einem Davis®-Programm eintreten, passieren auf natürliche Weise, als Ergebnis des Lernprozesses und der Entwicklung neuer Fertigkeiten und Einsichten. Davis liefert einen Zugang zu besserem Selbst-Verständnis und sozialer Bindung, während gleichzeitig die Integrität der Person gewahrt bleibt.
Einige Schlüsselelemente,
die das Davis-Programm von anderen unterscheiden:
1. Der autistische Ursprung
Aufgrund des frühkindlichen
Autismus von Ron Davis resultieren seine Ideen aus seinen eigenen autistischen
Erfahrungen und seinem autistischen Denken. Davis ist sich darüber im Klaren,
dass seine Erfahrungen einmalig sind. Keine zwei Autisten gleichen sich und es ist unmöglich, von einem auf den anderen zu
schließen. Doch Davis Vorgeschichte hat ihn sensibel gemacht und führte zum
Verständnis der Auswirkungen, die die Erfahrungen des Autismus auf das
Verhalten haben.
Davis weiß zum Beispiel,
dass viele vorherrschende Überzeugungen hinsichtlich Autismus falsch sind. Es
wird beispielsweise gemeinhin behauptet, dass Autismus mit fehlender Empathie
einhergeht. Aber autistische Erfahrungen beinhalten oft extreme Sensibilität
und Reaktionsfähigkeit gegenüber den Emotionen und Gefühlen anderer.
Vermeidungsverhaltensweisen, wie etwa sich von anderen zurückzuziehen oder
Berührungen oder Augenkontakt zu vermeiden, sind keine Zeichen der
Gleichgültigkeit, sondern vielmehr ein Hinweis, dass der Autist sich
überwältigt fühlt.(2)
Ebenso weiß Davis aus eigener Erfahrung, dass es für einen erfolgreichen Lernprozess des Autisten nicht erforderlich ist, das Verhalten neurotypischer Personen zu imitieren oder seine Art zu denken zu verändern. Autisten können mit einer Methode lernen und Fortschritte machen, die ihren kognitiven Stärken Rechnung trägt. Ihr Verhalten wird sich verändern, wenn die Ursache für dieses Verhalten verschwindet.
Ebenso weiß Davis aus eigener Erfahrung, dass es für einen erfolgreichen Lernprozess des Autisten nicht erforderlich ist, das Verhalten neurotypischer Personen zu imitieren oder seine Art zu denken zu verändern. Autisten können mit einer Methode lernen und Fortschritte machen, die ihren kognitiven Stärken Rechnung trägt. Ihr Verhalten wird sich verändern, wenn die Ursache für dieses Verhalten verschwindet.
2. Aus der Praxis entwickelt
Wenngleich erst im Jahr 2008
eine vereinheitlichte Struktur für den Davis-Autismus-Ansatz festgelegt wurde,
so werden die spezielle Methodik und die Werkzeuge schon seit den frühen
1980ern benutzt. Nach dem heutigen Stand der Dinge repräsentiert das
strukturierte Programm sowohl die miteinander geteilten Ansichten von einem
Dutzend Personen, die umfangreiche Erfahrungen in der Arbeit mit den Davis®-Techniken, mit Kindern und Erwachsenen jeden Alters, in vielen Sprachen und
Ländern haben, als auch die anhaltenden Beiträge vieler anderer, die in der
Methode ausgebildet wurden und aktiv mit autistischen Klienten arbeiten.
Als Davis das Programm entwickelt hat, ging es ihm natürlicherweise darum, Worte und Begriffe aus Knete zu modellieren, denn dieser Ansatz hatte ihm persönlich geholfen – die Knettechniken wurden jedoch deshalb beibehalten und präzisiert, weil sie funktionieren, nicht weil Davis sie sich ausgedacht hat. Einige Elemente des Programms wurden entwickelt, um genau die Probleme zu lösen, die unterwegs auftauchten. So wurde zum Beispiel das Ausrichtungsverfahren entwickelt, als sich zeigte, dass einige Personen nicht in der Lage waren, den Visualisierungsanleitungen des Davis®-Orientierungsverfahrens zu folgen. Die Praxis, ein Knetmodell für „Selbst“ in alle Begriffsbeherrschungs-Modelle einzufügen, begann mit einem kleinen Jungen, der bei der Knetarbeit mit dem Begriff „Konsequenz“ zunächst keine Fortschritte machte, bis er sich schließlich selbst in das Knetmodell mit einbezog.
3. Unterstützende Werkzeuge für Orientierung, Gleichgewicht und
Stressabbau
Das Davis-Programm beginnt
mit der gezielten Arbeit daran, einer Person
zu ermöglichen, Wahrnehmungen in Einklang zu bringen, den Aufmerksamkeitsfokus
zu kontrollieren und aufrechtzuerhalten, Stress abzubauen und das Energieniveau
zu steuern, sowie mit einer einfachen Trainingsübung mit Koosh-Bällen, die
darauf abzielt, Gleichgewicht und Koordination zu verbessern. Die Davis-Techniken des Orientierungstrainings sind einzigartig, aber ihr Mechanismus hat
Ähnlichkeiten mit Neurofeedback: durch mentales Training erreicht eine Person
die verbesserte Fähigkeit, ihren mentalen Zustand und ihre Aufmerksamkeit zu
steuern.(3) Weil allerdings die meisten Davis-Orientierungswerkzeuge auf kurzen, einfachen, direkten Anweisungen beruhen, bei
dem die Person ihre eigenen körperlichen Empfindungen als Rückmeldung zu
benutzen lernt, können die Davis-Techniken generell sehr schnell vermittelt und
erlernt werden. Die aufgenommenen Tonsequenzen für die auditive Orientierung
können auf gängigen tragbaren Wiedergabegeräten abgespielt werden. Es ist keine
spezielle Ausrüstung nötig.(4) Alle
Davis-Werkzeuge können regelmäßig sowohl zuhause als auch mit einem Berater
geübt und intensiviert werden.
...Fortsetzung folgt im nächsten Monat.
...Fortsetzung folgt im nächsten Monat.
Auszug aus der Übersetzung des Buches: “Autism
and the Seeds of Change” von Abigail Marshall mit Ronald D. Davis, Übersetzung: Dr. Andrea Paluch, erscheint voraussichtlich Mai 2013.
Im deutschsprachigen Raum und Luxembourg gibt es
inzwischen 8 ausgebildete Davis®-Autismus-Berater/innen, die Sie ebenfalls bei
den Davis-Berater-Adressen finden, oder aber per Email erfragen können: info@dyslexia.de.
(1) In einer Facebook-Gruppe gepostet am 1. August 2009, URL: https://www.facebook.com/groups/6567263146/ (Stand: 26. Februar 2012).
(2) Der Theoretiker [Adam Smith] unterscheidet zwischen
„kognitiver“ und „emotionaler“ Empathie. „Kognitive Empathie“ ist die
Fähigkeit, das Verhalten eines anderen zu verstehen und vorherzusagen und
entspricht der „Theory of Mind“. „Emotionale Empathie“ ist die emotionale
Reaktion einer Person, die von dem emotionalen Zustand einer anderen ausgelöst
wird und dieser entspricht. Ausgehend von den autobiographischen Berichten
vieler autistischer Erwachsener als auch von Verhaltensbeobachtungen
autistischer Kinder, gibt es starke Anzeichen dafür, dass Autisten gemeinhin
eine Übersättigung emotionaler Empathie erfahren, was zu Angstgefühlen,
Unbehagen und Verwirrung führt. Vgl. Smith (2009). Siehe auch: Die „intensive
Welt“ Autismus-Theorie, in: Markram und Markram (2010).
(3) Es hat sich gezeigt, dass Neurofeedback-Übungen das ausführende Funktionieren und soziale Verhalten unter autistischen Kindern verbessert. Vgl. Kouijzer, van Schie, et al. (2010) und Kouijzer, de Moor, et al. (2009).
(4) Im Gegensatz dazu erfordert Neurofeedback normalerweise viele Stunden Übung durch Ausprobieren mit einer Computerschnittstelle. Zum Beispiel haben Studenten in einer Forschungsstudie zweimal die Woche insgesamt 40 halbstündige Sitzungen gehabt. Weil die Übung von einer Maschine abhängig war, gab es keine Möglichkeit, zwischen den Sitzungen weiter zu üben oder zu vertiefen. Vgl. Kouijzer, de Moor, et al. (2009).
Meine ersten Schlüsselerlebnisse hatte ich bei meiner Begegnung mit autistisch genannten Kindern in der Münchner Heckscher Klinik im Praktikum für meine Ausbildung zum Sonderschullehrer.
AntwortenLöschenIch wollte konkret erleben, was passiert, wenn ich nicht an Autismus glaube.
Wer mag, kann den bericht dazu in der ZHeilpäd. oder in der "neuen Ich-kann-Schule" nachlesen. Der"Autismus" schmolz wie Schnee in der Sonne. Die Kinder machten mit mir so ziemlich das Gegenteil dessen, was sich für einen Autisten gehört.
Ihr Lehrer gestand mir, wie sehr ihn seine Arbeit ausbrenne. Er meinte: "Es sind halt Autisten." Wenn ich das mit Kindern machen würde, was er jeden Tag mit diesen Kindern gemacht hat, wäre ich auch erschöpft. "Gib mir das Fa, Julian, gib mir das Fo!"das ist ja zum Davonlaufen!!!
Seit diesem Tag weiß ich, dass das meiden von Blickkontakt kein Krankheitszeichen ist sondern ein sehr kluger unbewusster Selbstschutz. Oder würdest du freiwillig in Augen schauen, aus denen dir immer wieder eine Lawine "Es sind halt Autisten!" entgegenknallt???
Ich hab mit dem Mädchen den ganzen Vormittag geflirtet und es hat uns immer intensiver zueinander gezogen. Und ein Junge hat sich in der Pause an mich drangehängt, mir einen Schmatz auf die Brust gegeben und gedrückt, dass die Rippen krachten. Ich bin hoch ENERGIE-GELADEN aus dieser Begegnung herausgegangen.
Solche Erlebnisse wünsche ich jedem.
Franz Josef Neffe