Wer bekommt Legasthenie?
Legasthenie
ist keine Krankheit, die jemand "bekommt" – es ist ein Begriff, der
eine Art zu Lernen bzw. einen Lerntyp/-stil beschreibt. Abhängig davon,
wie man "Legasthenie" definiert, trifft diese Bezeichung auf 5% bis 20%
der Bevölkerung zu.
Wann wird diese (Funktions-)Störung normalerweise entdeckt?
Wir
betrachten Legasthenie nicht als eine "Störung", sondern eine andere
Art zu lernen. In den meisten Fällen werden die Symptome von Legasthenie
in der Grundschule auffällig, wenn das Kind beim Lesenlernen
Schwierigkeiten hat. Aber viele Personen werden nicht als legasthen
identifiziert, bis sie Teenager oder sogar erwachsen sind.
Wann ist es für eine Behandlung zu spät?
Aus unserer Perspektive ist es nie zu spät. Wir haben bereits erfolgreich mit Menschen über 80 gearbeitet.
Wie kann man sichergehen, dass es sich wirklich um Legasthenie und nicht um ein anderes Problem handelt?
"Legasthenie"
wird als Begriff verwendet, um eine ganze Reihe von Symptomen zu
beschreiben (s. A. L., Ausgabe 4). Tatsächlich sind also die Menschen, die
eine signifikante Anzahl dieser Symptome aufweisen, legasthen. Eine
Ausnahme bilden die Menschen, deren Symptome mit Sicherheit Folge einer
anderen physischen oder medizinischen Ursache sind. Zum Beispiel ein
Kind mit einem nicht diagnostizierten Seh- bzw. Hörproblem könnte ebenso
Schwierigkeiten beim Lesenlernen entwickeln, braucht aber tatsächlich
eine Behandlung der Seh- bzw. Hörschwäche. (Hiermit ist nicht die
Diagnose "visuelle" bzw. "auditive" Wahrnehmungsstörung gemeint, denn
dahinter verbirgt sich wiederum häufig eine Legasthenie. Anm. d.
Redaktion.)
Wie können wir Eltern dabei helfen, das Selbstwertgefühl eines legasthenen Kindes aufrecht zu erhalten?
Lehrer und Eltern müssen verstehen, dass "Lernbehinderung" oder "Lernstörung" vermutlich keine korrekten Begriffe sind, um Legasthenie zu beschreiben. Eine bessere Bezeichnung wäre: eine "andere Art zu lernen". Ebenso wichtig ist es, zu verstehen, dass alle Kinder Stärken und Schwächen haben und dass viele Stärken in der Regel eine Legasthenie begleiten.
Lehrer und Eltern müssen verstehen, dass "Lernbehinderung" oder "Lernstörung" vermutlich keine korrekten Begriffe sind, um Legasthenie zu beschreiben. Eine bessere Bezeichnung wäre: eine "andere Art zu lernen". Ebenso wichtig ist es, zu verstehen, dass alle Kinder Stärken und Schwächen haben und dass viele Stärken in der Regel eine Legasthenie begleiten.
Legasthene
Kinder sind tendenziell schwächer auf der sprachlichen Ebene aber
stärker in ihren visuell-räumlichen Fähigkeiten, und häufig sind sie sehr
kreative Denker und Problemlöser. Dies
kann sogar einfach von spezifischen Nervenbahnverbindungen herrühren.
Sie denken mit größerer Wahrscheinlichkeit dreidimensional und in
Bildern, anstatt auf Worte und Symbole fokussiert zu sein.
Sowohl
Eltern als auch Lehrer sollten die Stärken von Kindern sehr aufmerksam
beobachten und Aktivitäten und Interessen unterstützen, die den Ausdruck
und die Entfaltung dieser Stärken ermöglichen.
Auch
wenn es natürlich wichtig ist, Schwächen zu korrigieren, sollten wir
nicht den Fehler begehen, die Möglichkeiten des Kindes, seine Stärken zu
entwickeln, zeitlich einzuschränken, um zusätzliche Zeit für die Arbeit an
den Schwächen zu gewinnen, indem man zum Beispiel Musikunterricht oder
sportliche Aktivitäten einschränkt für zusätzliche Nachhilfestunden.
Eltern und Lehrer sollten stattdessen eine gute Balance zwischen beidem
finden. Alle Kinder sollten darin ermutigt werden, Aktivitäten
nachzugehen, die ihnen Spaß machen, in denen sie über sich hinauswachsen
und regelmäßig Erfolge erleben können.
Sollte ein Kind eine Klasse wiederholen, wenn es offensichtlich überfordert ist?
Es
ist selten eine gute Idee, ein Kind eine Klasse wiederholen zu lassen,
damit es die gleichen Anweisungen noch einmal erhält, die es bereits im
Jahr zuvor bekommen hat. Wenn es beim ersten Mal nicht aufgenommen
werden konnte, dann wird das Gleiche wiederholt nicht plötzlich zu
besseren Ergebnissen führen. Die Langzeitnachteile, die in der Regel mit
dem Sitzenbleiben verknüpft sind, überwiegen meistens die Vorteile.
Anstatt diese Kinder zurückzuhalten, ist es viel besser, ihnen
zielgerichtete Unterstützung und Intervention zu geben, und ihnen dabei
zu helfen, ihr Lernpotenzial zu maximieren. Wenn es andere Faktoren
zusätzlich zur Legasthenie gibt, dann kann dies eine Ausnahme zur oben
genannten Regel darstellen. Zum Beispiel, wenn ein Kind zu den Jüngsten
und/oder Kleinsten in seiner Klasse gehört, wenn es viele Schultage in
einem Jahr verpasst hat als Folge von Krankheit oder wenn das Kind in
eine neue Schule/an einen neuen Ort umzieht, dann kann es sein, dass
eine Klassenwiederholung die bessere Entscheidung ist und das Selbstwertgefühl des Kindes
dadurch weniger gefährdet wird.
Besteht die Möglichkeit, dass Kinder, die Schwierigkeiten mit dem Schriftspracherwerb haben, einfach nicht intelligent sind?
Lesefähigkeit
und Legasthenie sind nicht an Intelligenz gebunden. Tatsächlich gibt es
viele unterdurchschnittlich intelligente Kinder, die Lesen lernen
können und viele Legastheniker, die sehr intelligent oder sogar
hochbegabt sind.
Welches Alter ist das beste für eine Therapie bzw. gezielte Nachhilfe?
Ein Standard Davis®-Legasthenie-Korrektur-Programm scheint der Erfahrung
nach am sinnvollsten ab einem Alter von 9 Jahren und älter zu greifen.
Trotz dieses Durchschnitts ist es für das einzelne Kind am besten, wenn
es dann Unterstützung bekommt, sobald es hier einen Bedarf gibt. Dies
ist, sobald die Legasthenie zu irgendeinem funktionalen Problem für sie
wird. Da dies in der Regel während der Grundschulzeit auftritt, wäre
dies auch der beste Zeitpunkt, mit altersangemessener Unterstützung zu
beginnen.
Für welche Altersklassen ist die Davis®-Methode am besten geeignet?
von Abigail Marshall
Für welche Altersklassen ist die Davis®-Methode am besten geeignet?
Ein
Davis-Legasthenie-Korrektur-Programm ist für Menschen von 8 bis ins
Erwachsenenalter angemessen. Es ist nicht für die Altersklasse der
Kindergarten- und Vorschulkinder gedacht und in der Regel auch noch zu
früh für Erstklässler. Für diese Altersklasse haben wir ein
Schulprogramm entwickelt, dass sowohl für Kindergartenkinder bis hin zu
9-jährigen Kindern angewendet wird. Hier wird eine Vielzahl der
Davis®-Techniken verwendet, die speziell für junge Kinder angepasst
wurden. Dies sind die Davis®-Lernstrategien. Weitere Informationen hierzu
finden Sie auf unserer Internetseite: www.legasthenie-adhs-dyskalkulie.com. Ausgebildete
Davis®-Berater/innen können ebenfalls jungen Kindern von 5 bis 9 Jahren
helfen, indem sie mit einem Elternteil arbeiten und Eltern und Kind
darin anleiten, die Davis-Techniken anzuwenden. Dieses Programm nennen
wir das Davis-Lernanfänger-Programm.
Ziele
der Davis-Lernstrategien und des Davis-Lernanfänger-Programms bestehen
darin, den Kindern funktionale Techniken für den Leselernprozess und für
die Selbstregulierung der Aufmerksamkeit und des eigenen Energielevels
zur Verfügung zu stellen. Diese Techniken dienen nicht einer
Legastheniekorrektur, da dies tatsächlich eine intensivere Einzelarbeit
erfordert.
Gleichwohl,
wenn jüngere Kinder diese Techniken erlernen, können sie mit deren
Hilfe häufig vermeiden, im Stoff zurückzufallen und es ist sehr
wahrscheinlich, dass sie dadurch keine der für Legasthenie typischen
Lernbarrieren entwickeln müssen.
Wie
ich verstanden habe, besteht eine charakteristische Eigenschaft bei
legasthenen Schülern darin, dass sie tendenziell Gedanken eher bildhaft
als in Form von Sprachlauten verarbeiten. Wäre es für mich als
Lehrer/Erzieher an dieser Stelle hilfreich, bildliche Repräsentationen
für meine legasthenen Schüler zu entwickeln?
Ein
wichtiger Teil des Davis®-Programms besteht darin, legasthene Schüler zu
befähigen, sich ein geistiges Bild für abstrakte Wörter vorstellen zu
können oder sogar für jedes Wort, das sie verwirrt. Unserer Erfahrung
nach ist es hierfür hilfreich, mit einem dreidimensionalen Medium zu
arbeiten. Das ist der Grund dafür, warum wir Knete verwenden.
Darüber
hinaus ist es ebenfalls wesentlich, dass das Kind in einem eigenen
kreativen Prozess ein eigenes Bild entwickelt und kreiert. Damit Sie den
Grund hierfür verstehen können, stellen Sie sich ein Modell für das
Wort "lassen" vor, in der Bedeutung "erlauben". Das Modell besteht aus
einer Person, die eine Katze auf ihrem Schoß streichelt. Der Satz, der
zu diesem Modell passt, ist: "Die Katze lässt mich sie streicheln." Das
Kind, das dieses Modell geknetet hat, hat sich sehr viele Gedanken über
die Bedeutung gemacht und hat dann etwas kreiert, das sowohl eine
persönliche Bedeutung für es hatte, als auch anderen einfach zu erklären
war. Aber ein anders Kind, das dieses Bild betrachtet, würde sich
vielleicht nur an die Katze erinnern, oder das Modell mit einem anderen
Begriff in Verbindung bringen, zum Beispiel mit "streicheln".
Aus
diesem Grund ist es nicht hilfreich, wenn Lehrer für Ihre Schüler
Bilder kreieren, einfach, weil ohne den eigenen kreativen Prozess an
dieser Stelle es unwahrscheinlich ist, dass die Schüler sich daran
erinnern oder das Bild behalten werden. Vielleicht verwechseln sie das
Bild in seiner Bedeutung oder haben kein vollständiges Verständnis von
dem Bild.
Ich
habe gelesen, dass man das Alphabet und die Auslösewörter aus Knete
modelliert. Das scheint mir eine großartige Aktivität für die Schüler zu
sein, aber ich frage mich, ob das Kneten von über 200 Auslösewörtern
nicht auch überfordernd sein könnte. Durch Ihre Erfahrung und
Beobachtung können Sie einschätzen, ob diese Aufgabe einfach für die
Schüler zu bewältigen ist? Wurde das Modellieren von 200 Wörtern
verwirrend? Würden Sie empfehlen, dass man sich zunächst immer nur auf
wenige Worte gleichzeitig beschränkt?
Die
Wörter werden nacheinander geknetet. Ein etwas älteres Kind, das ein
Davis-Legasthenie-Korrektur-Programm absolviert, könnte zwei oder drei
Wörter in jeder Sitzung kneten und könnte ungeführ 45 Minuten bis zu
einer Stunde täglich damit verbringen, Wörter zu kneten. Dieses Kind
könnte leicht 15 Wörter in der Woche kneten. In einer Grundschulklasse,
in der die Davis-Lernstrategien angewendet werden, würde der Lehrer
durchschnittlich in der Regel nur ein Wort/Davis-Arbeitsstunde mit der
gesamten Klasse kneten, vor allem mit den jüngeren Kindern.
Ist es realistisch, anzunehmen, dass man mit dem Davis®-Ansatz in einer Klasse mit vielen Schülern, die nicht legasthen sind, arbeiten könnte? Ich unterrichte in einer allgemeinbildenden Schule, wo die Schüler sehr unterschiedlich in ihrem Förderbedarf sind, und nicht alle sind legasthen. Ich bin neugierig, ob ich diese Methode in meinen Unterricht einbauen kann, so dass alle Schüler davon profitieren könnten und nicht nur die Legastheniker.
Ist es realistisch, anzunehmen, dass man mit dem Davis®-Ansatz in einer Klasse mit vielen Schülern, die nicht legasthen sind, arbeiten könnte? Ich unterrichte in einer allgemeinbildenden Schule, wo die Schüler sehr unterschiedlich in ihrem Förderbedarf sind, und nicht alle sind legasthen. Ich bin neugierig, ob ich diese Methode in meinen Unterricht einbauen kann, so dass alle Schüler davon profitieren könnten und nicht nur die Legastheniker.
Die
Davis-Lernstrategien sind für allgemeine Grund- und Vorschulklassen
entwickelt worden, für die Arbeit gemeinsam mit allen Schülern. Die
Studie, die über die Davis-Lernstrategien im Rahmen eines Pilotprojekts
durchgeführt wurde, hat gezeigt, dass alle Kinder davon profitiert haben.
Keines der Kinder, das während der Schuljahre 1 bis 4 daran
teilgenommen hat, benötigte zusätzliche Förderung in den Folgejahren. Die
Kinder haben sogar besser abgeschnitten, als Kinder aus anderen Klassen
der gleichen Schule mit ähnlichem demographischen Profil.
Wenn
Sie daran interessiert sind, die Davis-Lernstrategien zu
implementieren, dann würde ich Ihnen sehr den zweitägigen Workshop
"Davis-Lernstrategien" empfehlen. Dort würden Ihre Fragen beantwortet,
sie
bekämen Arbeitsmaterial, das Ihnen den gesamten Ablauf während der
Schuljahre erläutert und sie mit Wortlisten und Arbeitsanleitungen bei
der Umsetzung unterstützt.
Das
Buch: "Legasthenie als Talentsignal" beschreibt ein Standard-Davis-Legasthenie-Korrektur-Programm, kein modifiziertes Programm für
die Arbeit in (Grund-)Schulen mit den Davis-Lernstrategien. Daher ist
die beste Vorgehensweise für die Arbeit in Schulen mit jungen Kindern (5
bis 9 Jahre) nach den Inhalten, die im Workshop "Davis-Lernstrategien"
vermittelt werden. In der Regel finden diese Workshops regelmäßig statt,
nähere Informationen finden Sie hierzu ebenfalls auf unserer Internetseite.von Abigail Marshall
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen